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Erst zur Jahresmitte sind die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung deutlich gestiegen. Der allgemeine Beitragssatz wurde zum 1. Juli von 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent angehoben. Der Zuschlag für Kinderlose stieg zusätzlich von 0,35 Prozent auf 0,60 Prozent. Wie lange das reichen wird, um die finanzielle Leistungsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung sicherzustellen, ist offen. Folgt man Bundesgesundheitsminister Lauterbach , soll die Finanzierung trotz Mehrleistungen und Mehrausgaben zumindest bis 2025 gesichert sein.
Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, sieht im Gespräch mit einer großen deutschen Boulevardzeitung die soziale Pflegeversicherung allerdings ernsthaft in Gefahr. Spätestens zum Beginn der nächsten Legislaturperiode drohe die Lage prekär zu werden, wenn nicht nachhaltige Reformschritte gegangen würden, um Ausgaben und Einnahmen ins Lot zu bringen. Die Ampelkoalition sei hier in der Pflicht, endlich die Reformpunkte umzusetzen, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden.
Bundesrat fordert Bundeszuschuss von 4,5 Mrd. Euro pro Jahr
Der DAK-Chef steht mit seiner Kritik nicht alleine da. Erst vor wenigen Tagen hat der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Haushaltsfinanzierungsgesetz für den Bundeshaushalt 2024 eine Erhöhung des Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung auf 4,5 Mrd. Euro jährlich gefordert. Damit sollen vor allem die versicherungsfremden Leistungen abgedeckt werden. Ihre Höhe wird auf rund 3,5 Mrd. Euro p.a. geschätzt. Die zusätzliche Mrd. Euro wird für den Pflegevorsorgefonds benötigt. Der Vorsorgefonds ist die einzige kapitalgedeckte Komponente in der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung. Er soll die finanzielle Belastung des Systems durch den demografischen Wandel abfedern helfen.
Bisher beträgt der Bundeszuschuss zur sozialen Pflegeversicherung gut eine Mrd. Euro jährlich. Er war noch von der früheren Großen Koalition unter Angela Merkel eingeführt worden. Jetzt plant die Ampelkoalition, ihn auslaufen zu lassen. Im Haushaltsplanentwurf 2024 und in der Finanzplanung bis 2027 ist kein Bundeszuschuss mehr für die soziale Pflegeversicherung vorgesehen. Die Zuführungen zum Pflegevorsorgefonds sollen „vorübergehend“ ausgesetzt werden. Der Grund: die schwierige Haushaltslage - Bundesfinanzminister Lindner muss sparen und es werden auch noch Mittel für andere Reformvorhaben wie zum Beispiel für die Kindergrundsicherung gebraucht.
Destabilisierung der Pflegefinanzen befürchtet
Der Bundesrat betont in seiner Stellungnahme, dass das Anliegen Geld im Bundeshaushalt zu sparen nachvollziehbar sei, es dürfe aber nicht zu Lasten der besonders vulnerablen Gruppe der Pflegebedürftigen gehen. Diese seien schon durch die allgemeinen Kostensteigerungen stark belastet. Der Bundesrat befürchtet ohne eine Fortsetzung bzw. Aufstockung des Bundeszuschusses eine weitere finanzielle Destabilisierung der sozialen Pflegeversicherung. Diese befinde sich durch die Folgen der Corona-Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges ohnehin in einer schwierigen Lage.
Die Beratungen zum Entwurf des Bundeshaushalts sind noch im Gange. Mitte November soll die sogenannte Bereinigungssitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses erfolgen. Hier finden oft noch erhebliche Änderungen statt. Erst danach wird der Haushalt endgültig verabschiedet. Ob die Beratungen für die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung noch positive Neuigkeiten bringen werden, bleibt abzuwarten. Angesichts knapper Mittel und vieler Begehrlichkeiten stehen die Chancen wohl eher schlecht.