Betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist den meisten Arbeitnehmern ein Begriff, betriebliche Krankenversicherung (bKV) und betriebliche Pflegeversicherung (bPV) sind dagegen nur „Eingeweihten“ bekannt. Keine Überraschung - die bKV und erst recht die bPV führen bisher in Deutschland ein Nischendasein. Dabei besitzen beide Modelle durchaus Potentiale.
bKV und bPV funktionieren beide nach dem gleichen Prinzip. Der Arbeitgeber schließt für begünstigte Arbeitnehmer mit einem Versicherer eine Gruppenversicherung über die gewünschten Leistungen ab. In der bKV handelt es sich um Krankenzusatzschutz - in der Regel eine „Paketlösung“, die zum Beispiel Zahnzusatzschutz, Wahlleistungen im Krankenhaus, Auslandskrankenschutz usw. enthalten kann. Bei der bPV geht es um eine Pflegezusatzversicherung.
Arbeitgeber-, arbeitnehmerfinanzierte oder Kombilösungen
Beide Modelle können arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanziert sein. Auch eine Kombination ist möglich. Zahlt der Arbeitgeber die Beiträge, sind sie im Rahmen der Freigrenze für Sachbezüge bei Arbeitnehmern bis zu einer Beitragsgrenze von 50 Euro jährlich steuer- und sozialabgabenfrei. Dieser Punkt war über einige Jahre ungeklärt, was sich als erhebliches Hindernis bei der Verbreitung des Modells ausgewirkt hat. Der Gesetzgeber hat hier mit Wirkung zum 1. Januar 2020 endlich Klarheit bei der Steuer- und Abgabenfreiheit zugunsten der Arbeitnehmer geschaffen. Zum 1. Januar 2022 ist die Sachbezugsfreigrenze überdies von bisher 44 Euro auf 50 Euro angehoben worden.
Auch falls die bKV oder bPV ausschließlich arbeitnehmerfinanziert sind, kann das für begünstigte Arbeitnehmer vorteilhaft sein. Das hängt u.a. davon ab, ob der Versicherungstarif auch beim Arbeitgeberwechsel oder im Ruhestand beibehalten werden kann. Bei der Gruppenversicherung findet keine Gesundheitsprüfung statt und die Gruppentarife sind oft günstiger kalkuliert als individueller Versicherungsschutz am freien Markt. Im Übrigen ist es auch möglich, Angehörige in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Das hängt von der Ausgestaltung beim jeweiligen Arbeitgeber ab.
Instrument der Mitarbeiterbindung und -gewinnung
Für die Unternehmen sind bKV und bPV eine vergleichsweise einfache und kostengünstige Lösung, um den eigenen Arbeitnehmern betriebliche Sozialleistungen im Rahmen der Gesundheits- und Pflegevorsorge zu bieten. Die betriebliche Altersvorsorge ist in der Regel wesentlich komplizierter zu händeln und kann je nach Ausgestaltung deutlich aufwändiger sein. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen stellt der betriebliche Zusatzschutz eine gute Möglichkeit der Mitarbeiterbindung und der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber dar - in Zeiten des Fachkräftemangels und immer schwieriger werdender Personalsuche ein nicht zu unterschätzendes Argument.
Rasante Entwicklung, aber viel Luft nach oben
Die bKV hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Im Zeitraum 2018 bis 2021 stieg die Zahl der „mitmachenden“ Arbeitgeber von 7.700 auf 18.200. Die Zahl der Begünstigten erhöhte sich von rund 800.000 auf 1,6 Mio. Arbeitnehmer. Pro Arbeitgeber sind im Schnitt ca. 90 Beschäftigte versichert. Das zeigt: es handelt sich um ein typisches Mittelstandsmodell. Trotz des dynamischen Wachstums: gemessen an der Gesamtzahl der Unternehmen und der Beschäftigten sind das immer noch bescheidene Größenordnungen. Es ist „viel Luft nach oben“.
Bei der bPV sieht es ähnlich aus. Hier könnte sich eine Vereinbarung zwischen dem Bundes-Arbeitgeberverband Chemie e.V. (BAVC) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) als Initialzündung und Vorbild für andere Branchen erweisen. Das Tarif-Agreement über eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Pflegezusatzversicherung startete am 1. Juli 2022 und erreichte bereits in den ersten vier Monaten 403.000 Beschäftigte.
Positiv in Zeiten angespannter Sozialsysteme
Angesichts der steigenden Gesundheits- und Pflegekosten sowie immer höherer Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung können bKV und bPV einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Lücken im Versicherungsschutz zu vorteilhaften Bedingungen zu schließen. Die bessere Absicherung hätte auch gesamtwirtschaftlich betrachtet einen positiven Effekt. Voraussetzung ist allerdings, dass bKV und bPV noch deutlich mehr in der Breite ankommen als das heute der Fall ist.