
Das Wort „Tarif“ stammt aus dem arabischen „taʿrīfa“, was so viel wie Preisliste bedeutet. Darum dreht es sich auch bei jedem PKV-Tarif. Ein Tarif stellt eine Auflistung von Leistungen mit zugehörigen Preisen dar. Bei Versicherungen ist der Preis die Versicherungsprämie. Doch wie kommen Prämien in der PKV überhaupt zustande, welche Faktoren beeinflussen sie und wie finden Prämienanpassungen statt? Darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Die Tarifkalkulation und das Äquivalenzprinzip
Für die PKV-Tarifkalkulation gilt das sogenannte Äquivalenzprinzip. Es besagt, dass Leistung und Gegenleistung in einem Tarif gleichwertig - das heißt: äquivalent - sein müssen. Konkret bedeutet das: die voraussichtlichen Ausgaben, die für tariflich vereinbarte Leistungen anfallen, müssen durch die zu erwartenden Prämieneinnahmen gedeckt sein. Die Prämien sind so zu kalkulieren, dass die Ausgabendeckung erreicht wird. Das gelingt mit Hilfe der Versicherungsmathematik.
Das Äquivalenzprinzip ist keine Spezialität der privaten Krankenversicherung. Es ist Grundlage bei allen privaten Versicherungsverhältnissen - im Gegensatz zur Sozialversicherung. Dort findet das Solidarprinzip Anwendung. Beiträge sind in der Sozialversicherung nicht unmittelbar an die Leistungsausgaben gekoppelt, sondern an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das gilt auch in der GKV. Hier sind die Beiträge maßgeblich vom Einkommen abhängig.
Die Anwendung des Äquivalenzprinzips beeinflusst die Prämienhöhe in Abhängigkeit von
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den versicherten Leistungen;
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selbst getragenen Ausgaben;
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dem individuellen Risiko;
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dem Alter.
Außerdem wirkt sich das Äquivalenzprinzip bei Prämienanpassungen aus.
Tarifleistungen und Beiträge
Je umfangreicher und hochwertiger die in einem Tarif versicherten Leistungen sind, umso höher fällt die Prämie aus - ein logischer Zusammenhang: wer mehr und bessere Leistungen will, muss auch mehr bezahlen. Besonders deutlich wird das bei Tarifen, bei denen sich die Versicherten die Leistungen selbst nach dem Baukasten-Prinzip zusammenstellen können. Das ist u.a. typisch bei Krankenzusatzversicherungen.
Beispiel Krankenhauszusatztarife :
Bei Krankenhauszusatzversicherungen werden oft Optionen bezüglich der sogenannten Wahlleistungen geboten. Bei den Wahlleistungen geht es um Anspruch auf
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Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer,
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Chefarztbehandlung bzw. freie Arztwahl,
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medizinisch nicht notwendige Leistungen (Schönheits-OP’s, neuartige bzw. alternative Behandlungsverfahren usw.).
Die gewünschten Wahlleistungen können dann durch „Ankreuzen“ im Antrag vereinbart werden. Je mehr Wahlleistungen mitversichert werden, umso höher fällt die Prämie aus. Ein Verzicht auf einzelnen Wahlleistungen bedeutet entsprechend weniger Versicherungsbeitrag. Viele Versicherer bieten in diesem Zusammenhang auch Basis-, Komfort- und Premium-Tarife mit abgestuften Leistungspaketen an. Ein Premium-Tarif kostet dann mehr als der Basisschutz.
Selbstbehalte
Bei einem Selbstbehalt trägt der Versicherte einen Teil der Kosten für Leistungen selbst. Es gibt dafür unterschiedliche Modelle. Zum Teil ist die Höhe des Selbstbehalts vorgegeben, zum Teil kann sie bei Vertragsabschluss innerhalb bestimmter Bandbreiten gewählt werden. Man findet prozentuale und absolute Selbstbehalte. Grundsätzlich gilt: je höher der Selbstbehalt ist, umso niedriger fallen die Prämien aus - und umgekehrt.
Es ist möglich, mit einem höheren Selbstbehalt die Prämie zu senken, ohne auf Leistungen verzichten zu müssen. Das rechnet sich aus Versichertensicht allerdings nur, wenn die Einsparung durch niedrigere Prämien größer ist als die finanzielle Mehrbelastung durch den höheren Selbstbehalt. Das hängt wesentlich von den benötigten bzw. genutzten Leistungen ab, was sich bei Vertragsschluss aber nur schwer vorhersehen lässt.
Das individuelle Risiko
Aus dem Äquivalenzprinzip folgt automatisch, dass individuelle Risikofaktoren, die die Leistungsinanspruchnahme beeinflussen können, bei der Prämienkalkulation ebenfalls mit zu berücksichtigen sind.
Diesem Zweck dient die Gesundheitsprüfung bei Stellung des Versicherungsantrags. Über Gesundheitsfragen wird der aktuelle Risikostatus des Antragstellers erfasst und bewertet. Bestehende Vorerkrankungen und riskantes Gesundheitsverhalten (zum Beispiel Rauchen) können drei mögliche Konsequenzen haben:
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Risikozuschläge: der Risikozuschlag ist ein individueller Aufschlag auf die „Normal“-Prämie, mit dem das individuelle Risiko berücksichtigt wird.
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Leistungsausschlüsse: Leistungen, die aus dem individuellen Risiko resultieren, werden beim Versicherungsschutz ausgeschlossen. Behandlungskosten müssen dann selbst getragen werden.
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Antragsablehnung: wird das Risiko aus Sicht des Versicherers zu hoch bewertet, kann der Antrag auch abgelehnt werden. In der PKV besteht kein Kontrahierungszwang.
Auch das Eintrittsalter ist ein individueller Risikofaktor, der in die Prämienkalkulation einfließt. Wer als 25jähriger eine private Krankenversicherung abschließt, zahlt weniger als ein 50jähriger. Der Grund ist einfach: bei einem 25jährigen besteht ein recht hohe Wahrscheinlichkeit vieler Versicherungsjahre mit geringen Leistungsinanspruchnahmen und damit niedrigen Ausgaben, beim 50jährigen dagegen nicht. Deshalb ist es besonders vorteilhaft, sich in jungen Jahren privat zu versichern. Die PKV-Prämien sind trotz eines höheren Leistungsniveaus oft deutlich niedriger als GKV-Beiträge.
Grundsätzlich wird bei der Tarifkalkulation immer nur das bei Versicherungsbeginn bestehende und erkennbare Risiko berücksichtigt. Nachträglich auftretende oder sichtbare Risiken spielen keine Rolle. Gegen einen altersbedingten Beitragsanstieg nach Versicherungsbeginn werden Altersrückstellungen gebildet. Sie hierzu den Abschnitt „Altersrückstellungen“.
Das Geschlecht darf keine Rolle mehr bei der Tarifkalkulation spielen, auch wenn das versicherungstechnisch begründet wäre. Nach einem EuGH-Urteil sind seit Ende 2012 nur noch Unisex-Tarife zulässig. Dies gilt allerdings für neue Tarife. Ältere Bisex-Tarife (vor Dezember 2012) können noch weiter bestehen, sind aber für Neuabschlüsse nicht mehr zugänglich.
Indirekt bei den Prämien wirken sich zwei weitere Maßnahmen zur Risikobegrenzung aus:
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in den Versicherungsverträgen werden üblicherweise Leistungen für Behandlungen ausgeschlossen, deren Ursache bereits vor Versicherungsbeginn bestand;
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bei vielen Tarifen gelten Wartezeiten. Die Versicherung leistet erst nach Ablauf der Wartezeit.
Dadurch soll es unattraktiv werden, eine Versicherung nur abzuschließen, weil der Behandlungsbedarf schon absehbar ist. Ließe man das allgemein zu, würde das zu einer deutlichen Verteuerung der Prämien führen.
Die Altersrückstellungen
Normalerweise müssten die Prämien im Zeitablauf mit dem Alter steigen. Denn je älter man wird, umso größer wird das Krankheitsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit, häufiger und ernsthaft zu erkranken, nimmt zu. Würde dies bei der Tarifkalkulation entsprechend berücksichtigt, müssten ältere Menschen exorbitant höhere Prämien bezahlen als jüngere und die PKV würde für viele unbezahlbar.
Um dies zu vermeiden, gibt es in der PKV Altersrückstellungen. Ihre Bildung ist gesetzlich geregelt. Seit dem 1. Januar 2000 wird bei Neuverträgen vom 22. bis zum 61. Lebensjahr ein Zuschlag von (mindestens) 10 Prozent auf die Prämie erhoben. Das Geld wird in die Rückstellungen eingestellt und verzinslich angelegt. Im Alter werden die Rückstellungen dann aufgelöst, um einen altersbedingten Beitragsanstieg oder Leistungskürzungen zu verhindern.
Tarifanpassungen
Die Datengrundlage, unter der ein Tarif ursprünglich kalkuliert wurde, kann sich im Zeitablauf ändern. Steigende Kosten im Gesundheitswesen, der medizinische Fortschritt oder Veränderungen in der Versichertenstruktur sind nur drei mögliche Einflussgrößen. In der Konsequenz stimmt dann die ursprüngliche Kalkulation womöglich nicht mehr und eine Tarifanpassung ist erforderlich, um dem Äquivalenzprinzip wieder zu entsprechen.
Dies bedeutet nicht zwangsläufig eine Prämienerhöhung, theoretisch kann bei einer solchen Überprüfung auch eine Prämiensenkung herauskommen. Praktisch ist das allerdings eher die Ausnahme, da es einen systemimmanenten Trend zu steigenden Leistungsausgaben gibt. Die privaten Krankenversicherer sind bei Prämienanpassungen nicht frei, schon gar nicht dürfen willkürliche Beitragserhöhungen vorgenommen werden. Es gilt ein gesetzlich definiertes Regularium.
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Die Versicherer müssen jedes Jahr die erforderlichen Leistungen mit den kalkulierten Leistungen in einem Tarif vergleichen;
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eine Beitragsanpassung darf überwiegend nur dann erfolgen, wenn zwischen tatsächlichen und kalkulierten Ausgaben eine Abweichung von mindestens 10 Prozent besteht oder wenn sich die zugrunde gelegte Sterbewahrscheinlichkeit innerhalb eines Tarifs um mindestens 5 Prozent verändert hat. (Ausnahme: In manchen Tarifen gelten etwas anders gestaltete Anpassungsvereinbarungen);
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ist einer dieser beiden „auslösenden Faktoren“ gegeben, muss der gesamte Tarif auf den Prüfstand gestellt und neu kalkuliert werden. Dabei sind auch Veränderungen anderer Faktoren zu berücksichtigen;
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werden die „Schwellenwerte“ 10 Prozent bzw. 5 Prozent nicht erreicht, ändert sich der Beitrag dagegen nicht, selbst wenn das angezeigt wäre. Unterlassene Beitragsanpassungen werden aber nachgeholt, sobald die Voraussetzungen für eine Tarifanpassung gegeben sind.
Dieser Anpassungsmechanismus kann dazu führen, dass bei einem PKV-Tarif die Beiträge über Jahre stabil bleiben und dann „schockartig“ ansteigen, sobald ein auslösender Faktor vorliegt. Dies bewirkt regelmäßig Unmut bei Versicherten, selbst wenn der durchschnittliche Beitragsanstieg moderat ausfällt. Vorschläge für eine „gleitendere“ Beitragsanpassungs-Regelung wurden bisher vom Gesetzgeber allerdings nicht aufgegriffen.
Langjährige Vergleiche der PKV- und GKV-Beiträge zeigen, dass die Prämien im Schnitt nicht stärker steigen als die Beiträge in der GKV, eher im Gegenteil. Grundsätzlich unterschiedlich ist nur die Anpassungsmethodik.