
Alljährlich führt das Wissenschaftliche Institut der privaten Krankenversicherung (WIP) eine Analyse der Arzneimittelversorgung von Privatversicherten durch. Dabei wird auch ein PKV-GKV-Vergleich gezogen. Noch kurz vor dem Jahreswechsel wurde der Bericht für das Jahr 2019 vorgestellt. Er enthält umfangreiche Daten und Fakten zur Arzneimittelausstattung und -nutzung. Das Zahlenmaterial bezieht sich dabei überwiegend auf den Zeitraum 2007 bis 2017. Die wesentlichen Ergebnisse werden hier im Überblick vorgestellt.
Im Vergleich zu 2016 haben sich die ambulanten Arzneimittelausgaben in der PKV 2017 um 3,2 Prozent erhöht und sind auf 3,062 Mrd. Euro gestiegen. In der GKV lag der Ausgabenanstieg nur bei 2,8 Prozent. Bezogen auf 2007 war in der PKV Mehrausgaben für Medikamente von über eine Mrd. Euro zu verzeichnen. Relativ gesehen sind das 49,6 Prozent, was gleichbedeutend mit einem durchschnittlichen jährlichen Ausgabenwachstum von 3,7 Prozent ist. Insofern ist die Entwicklung 2017 eher moderat verlaufen. Interessant bei der Untersuchung sind vor allem die Unterschiede zum GKV-Bereich.
Warum Ärzte bei neuen Arzneien für Kassenpatienten zögern
Dabei zeigt sich eins deutlich: neue Medikamente sind Privatversicherten schneller zugänglich als Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen. Das belegen die WIP-Zahlen eindeutig. Das Institut hat dazu Daten zu Medikamenten untersucht, die 2014 neu zugelassen wurden, und dazu die Verordnungsmengen in den ersten vier Jahren bis 2017 betrachtet. Die Auswertung basiert auf PKV-Arzneimittelabrechnungen, auf Zahlen des GKV-Arzneiverordnungs-Reports und des Unternehmens Insight Health.
Im Jahr der Zulassung erreichten Verordnungen für Privatpatienten einen Anteil von fast einem Drittel, im zweiten und dritten Jahr sank er auf 15 Prozent - weniger als die Hälfte. Und im vierten Jahr machte der Anteil gerade noch 10,4 Prozent aus. Das entspricht etwa dem Anteil der Privatversicherten an der Gesamtbevölkerung von rd. 11 Prozent. Die Verordnungsmengen für Privatpatienten blieben dabei im Betrachtungszeitraum annähernd stabil. Die sinkenden Anteile sind darauf zurückzuführen, dass die neuen Arzneien erst mit Zeitverzögerung auch bei Kassenpatienten zur Anwendung kamen.
Wie ist dieser Time Lag zu erklären? Ganz einfach: Ärzte halten sich bei Kassenpatienten zunächst bei der Verordnung neuer Medikamente zurück, solange der Zusatznutzen nicht offiziell festgestellt ist und die Erstattung durch die Krankenkassen nicht eindeutig feststeht. Die privaten Krankenversicherer sind in dieser Hinsicht „generöser“. Deshalb werden die Medikamente bei Privatpatienten schneller eingesetzt. Die WIP-Analysten ziehen daraus den Schluss, dass die PKV die Entwicklung und Einführung neuer Medikamente fördere, weil sie aus Sicht der Hersteller die Absatzchancen verbessere.
Generika und Biosimilare - bei Privatversicherten unterrepräsentiert
Unterschiede gibt es auch bei Generika und Biosimilaren. Generika sind Arzneimittel, die wirkstoffmäßig mit bereits zugelassenen Arzneimitteln übereinstimmen. Bei Biosimilaren handelt es sich um Nachahmerprodukte von Arzneistoffen, die mittels Biotechnologie und gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Bei Privatversicherten lag der Generika-Anteil der hundert umsatzstärksten generikafähigen Wirkstoffe bei 63,9 Prozent. Deutlich höher war der Anteil im Kassenbereich. Hier lag er bei 95,1 Prozent. Auch bei den Biosimilaren ist der PKV-Anteil unterproportional.
Die Autoren der Untersuchung weisen darauf hin, dass es seit Ende 2019 auch in der PKV eine sogenannte Aut-Idem-Regelung für Generika gebe. Privatversicherte können danach künftig zwischen dem Original-Medikament und einem Generikum wählen. Eine Wahlpflicht für das oft günstigere Generikum besteht nicht. Die Patientenautonomie bleibt voll erhalten. Die neue Wahlmöglichkeit sorgt unter Umständen dafür, dass die Unterschiede zwischen PKV- und GKV-Versicherten bei der Generika-Nutzung geringer werden und ein Angleichungsprozess stattfindet.