Krankenversicherungswechsel jenseits der 55 - Verbraucherschützer warnen vor vermeintlichem Schlupfloch

News-Artikel vom: 02.05.2024

Wer nur eine niedrige Rente bezieht, für den können die Beiträge für eine private Krankenvollversicherung zur Last werden. Denn in der PKV sind die Beiträge - anders als im gesetzlichen System - unabhängig vom Einkommen zu zahlen. Selbst der Basistarifstellt für manchen Rentner noch eine erhebliche finanzielle Bürde dar. Diesen Tarif muss jeder PKV-Versicherer anbieten. Er ist ohne Gesundheitsprüfung zugänglich, sieht vergleichbare Leistungen wie die gesetzlichen Krankenkassen vor und darf nicht mehr kosten als der Höchstbeitrag in der GKV. Dieser liegt 2024 bei rund 844 Euro monatlich.

Auch wenn beim PKV-Basistarif nicht immer der GKV-Höchstbeitrag zu zahlen ist, besteht bei nicht wenigen älteren Versicherten der Wunsch, in die GKV zurückzukehren, um die Beitragsbelastung zu reduzieren. Doch jenseits der 55 ist ein Wechsel in die gesetzliche Krankenkasse praktisch nicht mehr möglich. Einen scheinbaren Ausweg versprechen einige Versicherungsvermittler, die darauf ein regelrechtes Geschäftsmodell aufgebaut haben, wie das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus kürzlich berichtete. Die Vermittler ließen sich ihre „Leistung“ mit üppigen Provisionen vergüten. Verbraucherschützer warnen davor, dieses vermeintliche Schlupfloch zu nutzen. Es berge erhebliche rechtliche Risiken und das Ergebnis der Wechselbemühungen könnte verheerend sein.
 

Sozialbetrug und Rückabwicklung - Modell mit hohen rechtlichen Risiken 

Das Modell basiert auf der Eröffnung eines Gewerbes in einem anderen EU-Staat, in dem man auch als Selbständiger gesetzlich krankenversichert ist. Bevorzugte Länder für solche Lösungen sind u.a. Tschechien, die Slowakei und Polen. Nach einem Jahr wird dann die „Auslandstätigkeit“ aufgegeben und in Deutschland kann eine Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse erfolgen. Tatsächlich macht das geltende EU-Recht einen solchen Wechsel unter bestimmten Bedingungen auch ohne Altersbeschränkung möglich. Allerdings ist diese Lösung nur für Personen gedacht, die tatsächlich mindestens ein Jahr im EU-Ausland tätig sind und sich die meiste Zeit auch dort aufhalten. Das ist aber bei Rentnern, die das Vermittlerkonstrukt nutzen möchten, in der Regel nicht der Fall.

Laut einer Einschätzung der Verbraucherzentrale Hamburg handelt es sich bei dem Modell um ein Scheingewerbe und wer es nutze, riskiere wegen Sozialbetrug belangt zu werden. Es gibt zwar in Deutschland kein eigenes Sozialbetrugsdelikt, stattdessen kommen aber ggf. Strafvorschriften zum Betrug zur Anwendung. Bei schweren Betrugsdelikten sind bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich, mindestens droht eine Geldstrafe. Darüber hinaus müssten die unberechtigten Nutznießer mit einer Rückabwicklung der Versicherung rechnen und stünden im Zweifel ganz ohne Versicherungsschutz da.
 

Legale Möglichkeiten der Beitragsreduzierung

Für Versicherte, die sich den Basistarif in der PKV nicht leisten können, gibt es legale Möglichkeiten, den Beitrag zu reduzieren . Wenn Selbstbeteiligungen vereinbart werden, wird der Beitrag meist geringer. Die Versicherer müssen mindestens Selbstbehalte von 300, 600, 900 und 1.200 Euro p.a. anbieten. Allerdings ist die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung immer eine Abwägungsfrage. Der möglichen Beitragsersparnis sind finanzielle Belastungen durch selbst zu zahlende medizinische Leistungen gegenüberzustellen.

Wenn das Einkommen als Rentner nicht ausreicht, um den „normalen“ Basistarif und den sonstigen Lebensunterhalt abzudecken, besteht die Möglichkeit, Hilfsbedürftigkeit geltend zu machen. Die Rechtsgrundlage dafür bildet § 9 SGB II. Der Beitrag reduziert sich dann um die Hälfte (§ 152 Abs. 4 VAG). Demnach wären höchstens rund 422 Euro monatlich zu zahlen. Ist auch dieser Beitrag noch zu hoch, kann ggf. das Sozialamt wegen einer Beteiligung in Anspruch genommen werden.

 


 

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